Bei welchem normalen Menschen klingelt der Wecker im Urlaub schon um kurz vor 6 Uhr? Bei Fotografen auf Reisen. So marschieren wir schon vor Sonnenaufgang Richtung Naqsh-e Jahan Platz, an dem wir gestern abend schon kurz waren. Von unserem Hotel, dem Jamshid Hotel, brauchen wir ca. 15 Minuten bis wir wieder auf dem noch leeren Platz stehen. Völlig stressfrei ist um diese Uhrzeit auch das Überqueren der sonst viel befahrenen Straßen, welches sonst immer eine kleine Herausforderung und auch Überwindung darstellt. Zebrastreifen und Fußgängerampeln haben keinerlei Befugnisse im Iran. Sie wiegen einen eher in einer falschen Sicherheit. Wir üben das lokale Überqueren der Straße immer wieder in dem wir mit Einheimischen. Im Gleichschritt marschieren wir neben ihnen auf die andere Seite.

Erste Sonnenstrahlen beginnen die Gebäude auf westlichen Seite des Platzes in ein warmes Licht zu tauchen. So bewegen wir uns über den Platz auf der Suche nach neuen Perspektiven für unsere Fotos. Ich grüße einen älteren Herrn, der in Begleitung seiner Frau seine morgendlichen Runden auf dem Platz dreht, mit einem persischen „Guten Morgen“ (Sobh be kheyr!). Mit einem großen Lächeln grüßt er zurück, kommt auf mich zu und drückt mir zwei Bonbons in die Hand. Ich bedanke mich herzlichen und der Mann läuft weiter. Wenig später sieht uns ein Müllentsorger dabei zu, wie wir versuchen einen anderen Blickwinkel auf eine der Kuppeln zu finden. Ich glaube, dass er uns zu erklären versucht, wie wir durch die kleinen Gassen auf die andere Seite eines Gebäudes kommen können. Irgendwann merkt er, dass er mit Worten bei uns nicht weiterkommt und läuft einfach ein Stück voraus. Die persische Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft wird uns auf der ganzen Reise begleiten. Sie ist auch nicht einfach zu beschreiben, sondern man muss sie einfach erleben.

Nach 2 Stunden, in denen wir den ganzen Platz von allen Seiten umrundet und abgelichtet haben, machen wir uns auf den Weg zurück zum Hotel. Wir wollen noch Frühstücken und uns Duschen bevor wir uns mit unseren neuen Freunden treffen.

Pünktlich erwartet sie uns schon unten in der Lobby während ihr Mann draußen noch eine raucht. Die Begrüßung ist direkt sehr herzlich und wir fühlen uns in guten Händen. Im Auto erzählen sie uns noch einmal, dass sie viel für uns geplant haben. Wir schlucken wieder. Wir mögen unsere Freiheit im Urlaub und verbringen mit den Kameras viel mehr Zeit an den meisten Orten als andere Menschen. Trotzdem versuchen wir uns einfach auf sie einzulassen. Erstes Ziel ist der Tschehel Sotun Palast.

Da sie für die Stadt arbeitet kommen wir sogar umsonst in den Palast, der inmitten eines großen persischen Garten liegt. Er stammt aus der Zeit der Safawiden und wird auch Vierzig-Säulen-Palast genannt, da sich die 20 Säulen durch die Spiegelung im Pool verdoppeln. Leider haben wir wieder Pech mit dem Licht und eine schöne Spiegelung gibt es nicht wirklich. Im Inneren beeindrucken riesige Malereien die Wände, die verschiedene Schlachten und Bankette darstellen. Er kann uns verschiedene interessante Geschichten dazu erzählen, wie z.B. das die Perser eine wichtige Schlacht gegen die Osmanen verloren, da der persische Shah das Kämpfen mit Gewehren als unehrenhaft ansah und seine Truppen mit Säbeln gegen Schusswaffen kämpfen mussten. Wie dieser Kampf aussah muss man niemandem erklären. Der Rest des Gebäudes ist aufgrund von Restaurierungsarbeiten leider geschlossen.

Zu Fuß machen wir uns auf zum Naghsh-e Jahan Platz, um nun den Ali Qapu Palast zu besichtigen. Unterwegs lernen wir unsere beiden Begleiter immer besser kennen. Sie erklären uns, dass wir uns nun zuerst den Palast und dann die Scheich-Lotfollāh-Moschee alleine anschauen sollen. Wenn wir mit dem Besuch durch sind, sollen wir sie kurz anrufen, damit sie uns zum Mittagessen abholen können.

Ali Quapu (Hohe Pforte) ist ingesamt fast 70 Meter hoch und wurde eigentlich als Tor zu den königlichen Residenzen gebaut und hat sich erst im Nachhinein als Palast entwickelt. Diesmal zahlen wir Eintritt, da unsere Freundin, bevor sie uns alleine lässt, noch telefonisch versucht den Manager zu erreichen. Höhepunkt des Besuches ist eindeutig das Musikzimmer welches Shah Abbas damals nach neuesten Erkenntnissen der Akkustik errichten ließ. Die Nischen in den Wänden, die mit den Formen von Instrumenten geschmückt sind, schlucken den reflektierten Hall. Der Balkon, der auch ebenfalls renoviert wird, bietet noch einen tollen Ausblick über den Platz. Es lohnt sich auf jeden Fall Ali Quapu nicht nur von außen anzuschauen.

Gegenüber der hohen Pforte befindet sich auch gleich das blaue Eingangsportal der Scheich-Lotfollāh-Moschee. Es gibt einen unterirdischen Gang, der beide Gebäude miteinander verbindet. So wurden die weiblichen Familienmitglieder beim Besuch der Moschee vor fremden Blicken geschützt, wobei der Gang für die Öffentlichkeit leider nicht zugänglich ist. Der Architekt Mohammed-Reza Isfahani musste das Problem lösen, dass die Richtung von Mekka und das Tor zum Gebäude etwa 45° versetzt liegen. Er löste dies indem er einen Verbindungsraum in L-Form entwarf. Dies hatte uns unser Freund auf dem Weg zum Palast erklärt. Im Gang sahen wir einem französischen Kamerateam bei ihren Dreharbeiten zu. Der Iran wird als Reiseziel mit Sicherheit in den nächsten Jahren zunehmen. Das Innere der Kuppel ist wo so vieles mal wieder einfach nur beeindruckend. Es ist mir unmöglich das Lichtspiel der einfallenden Sonnenstrahlen auch nur annähernd mit der Kamera einzufangen. Diesmal wird Angeles noch von einer Gruppe um ein Foto gebeten, dabei sind die Iraner aber nie aufdringlich.

Bevor wir unseren Freund anrufen sitzen wir noch draußen vor dem Eingangsportal in der Sonne, genießen das Wetter und verlieren uns in den vielen kleinen Details der Dekoration. Neben uns sitzen 3 Frauen: eine Mutter mit ihren zwei Töchtern. Es dauert nicht lange, bis uns auch sie ansprechen. Sie bieten uns verschiedene Dinge zum Probieren an: Nüsse, eine Art getrockneten Schafskäse und Streifen aus getrocknetem Obst. Nicht alles mein Fall, aber auf jeden Fall sehr interessant zum Probieren. Ihr Englisch ist leider nur sehr rudimentär und so bleibt es wie so oft bei einer eher oberflächlichen Unterhaltung. Auch sie laden uns zu sich nach Hause ein, da wir aber schon zum Essen verabredet sind, müssen wir leider ablehnen. Zum Abschied machen wir noch ein paar  Fotos und schenken ihnen ein paar Postkarten. Dafür bekommen wir noch ein bisschen was zu naschen.

Unterwegs mit unserem Freund stoppen wir noch in einer Bäckerei und unser Freund klärt uns über die traditionellen iranischen 4 Brotsorten auf, wobei wir uns wie selbstverständlich zwischen den Leuten durch die Bäckerei bewegen. Auch hier habe ich das Gefühl, dass die Angestellten stolz sind, dass sich ein paar Ausländer für ihre Arbeit interessieren.

Im Haus unser Freunde angekommen erfahren sie, dass sie schon zwei Stunden mit der Vorbereitung des Essens beschäftigt sind. Wir sollten uns hinsetzen, was trinken und uns ein wenig ausruhen während sie alles fertigmachen. Wir kennen die beiden kaum und haben ein schlechtes Gewissen, dass sie sich den ganzen Tag für uns so ins Zeug legen. Es kommt noch ein Freund der beiden dazu, der einige Jahre in Spanien gelebt hat und sich sehr über die Gelegenheit freut, auch mal wieder ein bisschen Spanisch zu sprechen. Das Essen ist wahnsinnig lecker und ist mit Abstand das beste was wir in 2 Wochen im Iran gegessen haben. Auch die Unterhaltungen während des Essens sind unglaublich interessant und wir lernen uns ein wenig besser kennen. Der Freund hat als Nachtisch auch noch eine Torte mitgebracht, die wir zum Tee essen.

Als wir uns wieder auf den Weg machen ist es draußen schon dunkel. Wir noch an den Zayandeh Rud Fluss, um die Si-o-se Pol und die Khaju-Brücke zu sehen. Sinkender Niederschlag und Übernutzung haben allerdings dafür gesorgt, dass der Fluss nur noch etwa 2 Wochen im Jahr Wasser führt. Dies ändert aber nichts der Berühmtheit der Brücken von Esfahan. Es ist schon ein komisches Gefühl am ausgetrockneten Flussbett spazieren zu gehen. Lager flammen dort auf, wo eigentlich ein Fluss fliessen sollte. Unsere Gastgeber erklären uns, dass es während der Zeit, in der es Wasser gibt, fast unmöglich ist hier spazieren zu gehen, da alle Menschen hierher wollen. Unter der Khaju-Brücke singen Menschen spontan unter den Brückenbögen, während der Rest zuhört oder mitsingt. Die Akkustik ist super und die Lieder in Farsi klingen so schwermütig und emotional, aber trotzdem voller Hoffnung. Gerne wäre ich noch länger hier geblieben und hätte den Leuten zugehört und zugesehen, aber unsere Gastgeber ziehen weiter; weg von den Wasserpfeifen und Sängern.


Trotz fortgeschrittener Stunde, machen wir uns 22.30 Uhr noch auf den Weg nach Jolfa, das armenische Viertel von Esfahan. Hier gibt es nicht nur eine christliche Gotteshäuser, sondern auch viele Cafes. So sitzen wir dann um 23.00 Uhr in einem derselbigen und bestellen Kaffee. Vieles am Leben hier erinnert mich an Spanien. Ich entscheide mich dann aber für eine heiße Schokolade mit Chili. Ich mag Schokolade mit Chili, dieses Heißgetränk hier verwandelt das Innere meines Mundes in einen kleinen Vulkan. Lecker, aber für diesen Schärfegrad muss ich noch ein wenig trainieren.

Da ich aus Spanien kenne, wir schwer es manchmal sein kann, Leute auf etwas einzuladen, stehle ich mich während des Gesprächs kurz davon und bezahle unsere Getränke an der Theke. Als unsere Freunde herausfinden, dass ich schon bezahlt habe, lachen sie und sind beeindruckt von meinen „Trick“. Anders geht es halt nicht. Danach geht es dann aber wirklich zurück zum Hotel. Wir verabreden uns für den nächsten Tag, bevor wir todmüde ins Bett fallen.