Wo bin ich? Das war mein erster Gedanke nach dem Aufwachen. Es wird nicht das einzige Mal sein, dass mir das in diesem Urlaub passiert. Aufstehen, Duschen und ans Frühstücksbuffet. So lautet der kurzfristige Plan. Die Zimmer des Ehsan House liegen wie in anderen traditionellen Gästehäusern direkt an einem zentralen Innenhof. Unser Zimmer liegt im ersten Stock und verfügt über eine „private Treppe“ zu unserem Zimmer. Im Zentrum des Hofs befindet sich ein kleiner Pool, der wohl vor allem im Sommer dazu beiträgt, das Klima ein wenig angenehmer zu gestalten. Der Iran gehört schließlich mit zu den heißesten Ländern der Erde. Um den Hof herum gibt es verschiedene Sitzgelegenheiten, vor allem solche auf die man sich ohne Schuhe wie auf einen Teppich setzt.

Im Sommer wird draußen gefrühstückt, aber bei den frischen 5-6°C geht es in den Frühstücksraum, wo auch schon ein paar andere Gäste sitzen. Wir werden feststellen, dass die Buffets am Morgen in allen Hotels sehr ähnlich sind. Tee ist in der Rangordnung weit vor Kaffee, den wir morgens nur selten serviert bekommen. Dazu gibt es dann Fladenbrot welches mit Karottenmarmelade oder aber auch einer Art iranischem Frischkäse garniert werden kann. Ergänzt wird das ganze durch frische Tomaten und Gurken, sowie gekochte Eier und Rührei mit Tomaten. Selbst im Frühstücksraum, der nur durch eine dicke Folie vom Innenhof getrennt ist, friere ich mit Jacke noch ein wenig. Ich versuche die Körpertemperatur durch erhöhten Teekonsum erfolgreich nach oben zu korrigieren. Nebenbei blättern wir noch ein wenig im Lonely Planet Iran.

Plan für heute ist die Agha Bozorg Moschee. Den Rest der Zeit wollen wir damit verbringen planlos durch die Stadt zu laufen, was sowohl Zuhause wie auch in der Fremde immer ein guter Plan ist. Wir schnappten also unsere Kameras und machten uns auf den Weg. Gerade die ersten Tage in einem fremden Land entdeckt man ständig etwas neues und kommt nur langsam voran. Hier ein interessantes Auto, dort ein kurioser Laden… Als wir auf die Moschee zugehen, werden wir von einem älteren Herrn auf Englisch angesprochen. Ein Taxi-Unternehmer wie sich später herausstellt. Er drückt uns seine Karte mit den verschiedenen Angeboten in die Hand und lässt uns dann auch schon weiterziehen. Angenehm unaufdringlich.

Vor der Moschee machen gerade zwei Arbeiter vor dem komplett aufgerissenen Hof Mittagspause. In Sitz-Hockstellung essen sie im Schatten aus ihren Plastikbehältern. Da der Haupteingang durch die Arbeiten versperrt ist, gehen wir auf die rechte Seite des Gebäudes, wo wir einen kleinen Durchgang sehen. Ein uns entgegenkommender Passant ruft uns etwas entgegen und zeigt dabei auf den Durchgang. Hier geht es also wohl rein. Nachdem die Sonne inzwischen ordentlich Kraft bekommen hat, ist ein wenig Schatten im Gang sehr angenehm. Fotografierend bewegen wir uns durch die Moschee. Das Licht ist zur Mittagszeit natürlich extrem bescheiden und innerlich beschließe ich später bei besserem Licht noch einmal wiederzukommen. Die Agha Bozorg Moschee stammt aus dem späten 18. Jahrhundert und ist vor allem für ihr symmetrisches Design bekannt.

Während ich die Kuppel des Doms fotografiere spricht mich ein junger Mann. Er befragt mich zu meiner Herkunft und wie ich die Moschee finde. Heute ist Donnerstag. Im Iran ist Donnerstag und Freitag Wochenende. Er ist Student, hat deswegen heute Zeit und würde uns gerne ein wenig herumführen. Da wir keinen besseren Plan haben, laufen wir einfach mit ihm mit und ziehen durch die Gassen. Wir sehen ein paar Windtürme (dazu später mehr) und Treppen, die hinter Gittern in die Tiefe führen. Hier holten früher die Leute aus Kashan ihr Wasser. Nicht nur die Moschee war menschenleer, sondern auch in den Gassen sieht man kaum Menschen. Wir fotografieren wenig. Es ist immer schwieriger, wenn andere Menschen dabei sind. Er erklärt uns die verschiedenen Klopfer an den Türen, die unterschiedliche Klänge haben. Kommt ein Mann, hören die Frauen das im Inneren und können sich entsprechend kleiden. Klingt einleuchtend. Am Ende der Reise wird uns aber eine andere Theorie erklärt.

Er möchte uns die bekannten traditionellen Häuser Kashans zeigen. Auf dem Weg kommen wir noch an der sehr schönen Eingangsfassade einer anderen Moschee vorbei. Standard für ihn. Interessant für uns. Hier nehmen wir uns die Zeit und machen ein paar Bilder. Wir entscheiden nur das Sultan Amir Ahmad Bathhouse von Innen zu besuchen und die anderen Häuser nur von außen zu sehen. Während wir ca. 3 Euro Eintritt pro Person bezahlen, kommt er als Einheimischer umsonst rein. Finde ich fair. Das Badehaus wurde im 16. Jahrhundert erbaut und bedeckt eine Fläche von etwa 1.000 m². Jeder Bereich hat im Zentrum eine kleine Kuppel mit kleinen Fenstern, die für natürliches Licht sorgen. Ein spannender Ort zum Fotografieren und wir verlieren uns in den Details der Dekoration. Am Ende unseres Rundgangs gehen wir noch über eine Treppe aufs Dach, um nicht nur die Kuppeln mit ihren Fenstern von oben zu sehen, sondern auch die Stadt ein wenig zu überblicken. Da es kaum mehrstöckige Gebäude gibt, kann man schon einiges sehen.

Wieder unten angekommen sehen wir eine weitere Moschee und sagen ihm, dass wir dorthin wollen. Sein Gesicht kann die Begeisterung hervorragend verstecken und so freut er sich über unser neues Ziel wohl mehr nach Innen. Auf der anderen Seite, muss er ja nicht mit. Vor der Moschee fragt uns ein Mullah auf Englisch, ob er uns das Innere der Moschee zeigen und erklären dürfte. Er verspricht sich möglichst kurz zu halten. 30 Minuten maximal und es ist kostenlos. Als wir zustimmen, freut sich unser Begleiter wieder sehr im Stillen, aber nach Hause will er anscheinend auch nicht. Angeles muss nun zum ersten Mal einen Tschador tragen. In der halben Stunde lernen wir etwas über Spiegelmosaike , Türen und Imam Husain. Am Ende des Rundgangs machen wir noch einige Fotos im Inneren und der Mullah möchte gerne ein Selfie mit uns. Machen wir gerne.

Unser Begleiter hat natürlich einen Namen, aber da der Kontakt zu Ausländern im Iran von der Regierung anscheinend nicht immer gern gesehen wird, lasse ich den Namen erst einmal weg. Wir sagen ihm, dass wir gerne zurück ins Hotel gehen möchten, um uns ein wenig auszuruhen, da vorherige Andeutungen, dass wir jetzt auch gerne wieder ein wenig alleine spazieren gehen würden, nicht bei ihm angekommen sind. Natürlich möchte er uns noch zurück zum Hotel begleiten. So machen wir uns zu dritt auf den Rückweg durch die Gassen. Als wir an der Agha Bozorg Moschee vorbeikommen, bleibt er kurz danach vor einem Haus stehen. Sein Onkel lebt hier und der würde uns liebend gerne zu einem Tee einladen.  Also gut, den Tee nehmen wir noch mit, dann müssen wir aber wirklich wieder los.

Ein paar Minuten später saßen wir schon auf dem Sofa des Onkels. Während die Frauen des Hauses auf dem Teppich des Küchenbodens Mittag aßen, stellten wir uns den Fragen seines Onkels, der zusammen mit ihm vor uns auf dem Boden saß. Wo kommen wir her? Welche Stadt? Seid ihr verheiratet? Habt ihr Kinder? Usw… Sein Neffe übersetze seine Fragen und unsere Antworten. Seine Englischkenntnisse reichten dafür nicht immer aus, so dass wir auch viel Google Translate benutzen mussten. Natürlich wollte der Onkel auch wissen, wie wir über den Iran denken. Als ich sagte, dass nur der Verkehr gefährlich für mich sei, sah ich sein entsetztes Gesicht, nach der Übersetzung. Ok, da muss was schiefgegangen sein. Nein, der Iran ist nicht gefährlich, vereinfachte ist das Ganze. Das Gesicht des Onkels grinste wieder. Situation geredet. Nach dem Reis gab es Süßes und Tee. Inwzischen saß die gesamte Familie im Halbkreis vor uns auf dem Boden. Eine ungewohnte Situation. Wir gaben der Familie ein paar Postkarten, die wir extra für diesen Zweck mitgenommen hatten. Volltreffer. Dann sagten wir noch einmal, dass wir nun endlich los wollten. Die Familie ließ uns nun doch gehen, aber nur mit dem Versprechen, dass wir heute um 21 Uhr zum Abendessen vorbeikommen würden. Ich hatte schon viel von der iranischen Gastfreundschaft gehört, aber nicht erwartet, dass sie uns schon gleich so „zuschlägt“. Wir machten noch ein paar Bilder, tauschten Telegram Nummern aus und standen dann wieder alleine auf Kashans Straßen.

Wir gingen kurz zum Hotel, dass nur ein paar Minuten Fußmarsch entfernt war. Ich wollte mein kleines Stativ holen und dann direkt wieder zurück zur Moschee. Das Licht war bei unser Rückkehr deutlich besser und so blieben wir fast eine Stunde. Danach wollte ich noch schnell einen Blick in den Bazar werfen, der nur einige hundert Meter entfernt war. Wieder einmal war das abenteuerlichste daran, die Straßen auf dem Weg dorthin zu überqueren. Aus Gewohnheit taten wir das meistens an Zebrastreifen, die aber keinerlei Effekt auf den lokalen Autofahrer haben. Im Bazar kauften wir uns zwei Eis. Beide nicht mein Fall. Rosenwasser als Geschmack ist für mich stark gewöhnungsbedürftig und schmeckt für mich nach Parfüm.

In einem der Innenhöfe entdeckten wir eine weitere Moschee. Zunächst setzen wir uns nach draußen auf eine Treppe, um das Treiben zu beobachten. Dann wollte ich aber noch in das Gotteshaus schauen. Wir überquerten den Hof und öffneten die Tür. Überall im Inneren saßen Menschen auf den Teppichen, aßen und unterhielten sich. Die Decke war verziert von Spiegelmosaiken. Beeindruckend. 3 Kinder kamen mit einem Tablett voller Kekse zu uns und boten uns welche an. Im Hintergrund konnten wir die Mütter ausfindig machen, die sie geschickt hatten. Sie lächelten uns an.

Angeles hatte inzwischen leichte Bauchschmerzen und fühlte sich vielleicht auch langsam ein wenig überfordert von soviel Aufmerksamkeit. So gingen wir wieder zurück zum Hotel, um uns ein wenig hinzulegen. Die letzte Nacht hatten wir nur 5 Stunden geschlafen und waren fast den ganzen Tag unterwegs.

Nachdem es ihr nach einem kleinen Nickerchen nicht wirklich besser ging, schrieb ich unserem Abendessen-Date eine Nachricht und sagte für den heutigen Abend ab. Es kam eine verständnisvolle Nachricht zurück und mein schlechtes Gewissen war beruhigt. Alleine hatte ich ehrlich gesagt keine Lust dort aufzutauchen. Am nächsten Tag wollten wir uns zumindest von der Familie verabschieden. Wir besprachen noch grob die Organisation für den nächsten Tag und erklärten den Tag offiziell für beendet.

Mullah